Zwangsprostitution in Indien
Es ist eins der größten Probleme Indiens: Zwangsprostitution. Allein in der Großstadt Mumbai bieten bis zu 150.000 Frauen ihren Körper an. Besonders der südliche Teil Indiens ist betroffen. Doch wie kommt es dazu, dass junge Frauen ihren Körper verkaufen? Steckt wirklich „nur“ Armut dahinter? Und ist Prostitution in Indien überhaupt erlaubt?
Im südindischen Staat Karnataka verkauften die Eltern der damals dreijährigen Ramani sie an einen Tempel. Sie wurde Devadasi: ein Mädchen, das einer Tempelgöttin als Dienerin geopfert wird, um so der der Familie „Glück und Segen“ zu bringen. Doch eigentlich bedeutet es, Tempelpriestern körperliche und sexuelle Dienste zu erweisen. Mit 17 Jahren wurde sie wegen zwei unehelichen Kindern zur Prostituierten und hat nun, im Alter von 27 Jahren, Aids.
Doch Ramani ist kein Einzelfall. In den Südstaaten Indiens arbeiten bis zu 250.000 Frauen als Devadasis.
Devadasis gab es schon im 4. Jahrhundert vor Christus. Indische Gelehrten schrieben in einem Buch über die Tempelopferung und dass dadurch Familien vor Unglück bewahrt würden und man dadurch einen Platz im Himmel bekäme. Ursprünglich war gedacht, dass Devadasis im Tempel tanzen, singen und religiöse Rituale ausführen sollten und fast immer werden die Mädchen und jungen Frauen von Priestern sexuell missbraucht. Heiraten darf eine Devadasi nicht, aber Männern sexuelle Dienste erweisen.
50 Prozent der Devadasis enden als Prostituierte. Die meisten von ihnen verdienen nicht mehr als 1000 Rupien, was rund 16 Euro im Monat sind.
Foto von: Rohith Ajjampur
Prostitution minderjähriger Jungen
Doch nicht nur Frauen und junge Mädchen sind betroffen. In Bangalore, der Hauptstadt von Karnataka, leben 3000 männliche Prostituierte zwischen acht und 20 Jahren. So auch der damals 13-jährige Lokesh, ein kluger und anständiger Junge, der nicht widerspricht. Als also ein Lehrer von ihm verlangte mit nach Hause in sein Bett zu kommen, tat Lokesh dies. „Ich dachte, ich muss gehorchen“ ,sagt er dazu.
Viele Monate zwang der Lehrer Lokesh, Sex mit ihm zu haben.
Als Lokesh merkte, dass es falsch ist, was der Lehrer tat, ging er zu seinen Eltern und erzählte alles. Die Eltern warfen ihn darauf hinaus, denn von Söhnen wird erwartet, dass „sie die Familie fortführen“ . „Doch das ist der Normalfall“, so die Sozialarbeiterin Dhananjay.
Für 100 Rupien, weniger als zwei Euro, schlafen junge Männer mit pädophilen Männern, müssen teilweise Schläge und Gruppenvergewaltigungen ertragen. Aus Not und Hilfe begeben sie sich zu Zuhältern, die die jungen Männer dazu zwingen, sich kastrieren zu lassen, was häufig zu Infektionen und Krankheiten führt. Dhananjay zeigt ein Foto von einem Jungen, der versuchte vor Zuhältern zu fliehen. Sein Bein ist Blut überströmt. „Zuhälter lauern wie Adler“, sagt die Sozialarbeiterin. Die jungen Männer sind von Depressionen und Einsamkeit geplagt. Dhananjay: “ Die meisten gehen nicht an ihrer Krankheit zugrunde, sondern an ihrer Einsamkeit“.
Prostitutionsverbot?
Prostitution ist in Indien nicht direkt verboten, doch Zuhälterei und öffentliche Werbung sind Straftaten, weshalb die Geschäfte zwischen Prostituierten und Kunden meist in Privaträume verlegt werden. So können mit Hilfe von Mobiltelefonen sexuelle Dienste nach Hause oder in Hotels bestellt werden.
Ranjana Kumari, Frauenrechtlerin und Direktorin von „Center For Social Research“ in Neu-Delhi, erklärt, dass „die Situation in Bordellen kaum zu kontrollieren sei. Wenn nicht einmal die Aufenthaltsorte der Frauen und Kinder bekannt seien, sei es praktisch unmöglich sie vor Gewalt und Zuhälterei zu schützen“.
Doch was tut die Polizei zum Schutz der Prostituierten?
Örtliche Behörden ordnen regelmäßig Polizei-Razzien in Bordellen, Hotels und Nachtclubs an, um sexuelle Ausbeutung zu verhindern. Doch immer mehr Berichte zeigen, dass die Polizisten mit den Zuhältern gemeinsame Sache machen, statt Frauen und Mädchen vor Gewalt und Willkür zu schützen.
Eine schockierende Schande
Das Beispiel der Devadasis zeigt, dass nicht allein Armut der Beweggrund ist, sich in Prostitution verwickeln zu lassen.
Devadasis werden an einen Tempel geopfert, um die Familien vor Unglück zu bewahren und einen Platz im Himmel zu sichern.
Doch warum opfern Eltern ihre Kinder für einen Platz im Himmel, wenn sie wissen, dass sie womöglich als Prostituierte enden könnten?
Es ist schockierend zu wissen, dass Eltern ihren Kindern so etwas zumuten, und sie das Risiko eingehen, später nichts mehr mit ihnen zu tun zu haben.
Doch auch die Priester sind in ihrer Haltung zu kritisieren. Eltern opfern ihre Kinder für den Tempel und nehmen an, dass sie etwas Gutes getan haben. Stattdessen werden sie von den Priestern zu sexuellen Aktivitäten gezwungen und werden Prostituierte.
Es ist eine Schande, dass so viele junge Mädchen betroffen sind und viele von ihnen keine Unterstützung erhalten und sie ihr Leben als Prostituierte weiter leben müssen.
Doch auch das Beispiel der Männer-Prostitution zeigt, dass auch sie unter dem Verkauf ihres Körpers und unter der Macht der Zuhältern leiden. Sozialarbeiterin Dhanjay sagte, dass ein Fall wie Lokesh ein Normalfall ist.
Lokesh war Opfer vieler sexueller Missbräuche und als die Eltern es erfuhren, wollten sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Zu wissen, dass es so vielen anderen Männern genauso geht wie Lokesh und dass sie, wie die Devadasis, so gut wie keine Hilfe bekommen, ist eine Schande. Außerdem ist es schlimm, dass sie so gemieden werden, dass sie sich selbst zu hassen lernen und sie möglicherweise in tiefe Depressionen stürzen.
Dhanjay sagte schließlich dazu, dass die meisten männlichen Prostituierten an ihrer Einsamkeit zugrunde gehen, und nicht an den körperlichen Verletzungen.
Schlimm ist auch, dass sie meist keine Hilfe von der Polizei bekommen, sondern im Rotlichtviertel selbst „mitmischen“. Die Polizei ist schließlich dazu da, Zuhältern auf die Schliche zu kommen und nicht sie zu unterstützen. Es muss die Menschen sehr kränken, nicht mal vom Staat eine vernünftige Unterstützung zu erhalten.
Zuletzt ist zu sagen, dass man etwas gegen die Zwangsprostitution unternehmen sollte, zum Beispiel durch Spenden an Organisationen, die den jungen Menschen helfen und unterstützen. Prostituierte leiden unter ihren körperlichen und psychischen Verletzungen und der Staat hilft so gut wie gar nicht. Es muss sich dringend etwas in Indien ändern.
Artikel von: Maren H.
Quellen: http://www.dw.de/indien-prostitution-in-der-grauzone/a-2421543-1
http://www.stern.de/fotografie/sexuelle-ausbeutung-in-indien-vom-tempel-ins-bordell-613783.html
http://www.spiegel.de/panorama/prostitution-minderjaehriger-geraubte-seelen-a-816675.html